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Konfliktmuster in Liebesbeziehungen (Teil 2) Oder – die Geschichte mit dem Loch

Im Beitrag „Konfliktmuster in der Liebe“ hatte ich mich vor einigen Wochen mit typischen Konfliktmustern beider Partner in einer Liebesbeziehung beschäftigt. Dabei hatte ich den/die AngreiferIn „Schneckenjäger“ und den sich in  allen Konflikten Zurückziehenden „Schnecke“ genannt. Wir alle kennen die eine oder vielleicht sogar beide Positionen – Schnecke oder SchneckenjägerIn.
Doch leider hilft uns die bloße Erkenntnis nicht weiter. Warum werden wir immer wieder zur Schnecke, obwohl wir es nicht wollen? Und warum greifen wir unseren Partner immer wieder an, obwohl wir genau wissen, wie das endet? Wir fühlen uns im Konfkiktfall unverstanden, ungeliebt, manchmal verlassen oder auch beleidigt. Und: Das ist das Schlimme: der Konflikt wurde nicht gelöst, sondern nur verschoben. Wenn wir dann so weiter machen, finden wir uns bald in einer endlos wirkenden Konfliktspirale. Was wir uns fragen, ist Folgendes:

„Wie kommen wir da bloß wieder heraus?“

Das Herausfinden aus automatisch ablaufenden Aktionen und Reaktionen ist – wie Sie sich denken können – nicht ganz einfach. Viele Schritte sind notwendig. Um das zu verdeutlichen, erzähle ich gerne eine Geschichte, die ich einmal von einem iranischen Kollegen hörte. In meiner Therapie nutze ich Bilder und Geschichten sehr gerne, sie helfen oft auf eine andere Weise, etwas zu verstehen.

Die Geschichte geht so:

Ich gehe eine Straße entlang und falle in ein Loch. Aua! Das tut weh. Ich muss mich befreien, schaue nach einem Ausweg, finde ihn und klettere aus dem Loch. Ich gehe weiter.
Ich gehe eine Straße entlang und sehe ein Loch, falle hinein. Aua! Das tut weh, suche nach einem Ausweg, befreie mich, klettere aus dem Loch und gehe weiter.
Ich gehe eine Straße entlang und sehe ein Loch, denke: Oh, da ist ein Loch!, falle hinein. Aua, das tut weh, suche nach einem Ausweg, befreie mich, klettere aus dem Loch und gehe weiter.
Ich gehe eine Staße entlang und sehe ein Loch, denke: Oh, da ist ein Loch, hoffentlich falle ich nicht hinein und falle hinein. Aua, das tut weh, suche nach einem Ausweg, befreie mich, klettere aus dem Loch und gehe weiter.
Ich gehe eine Straße entlang und sehe ein Loch, denke: Oh, da ist ein Loch, hoffentlich falle ich nicht hinein. Ich schaffe es, nicht hineinzufallen und gehe weiter.

Ich gehe eine andere Straße.

Diese kleine Geschichte beschreibt sehr schön, wie viele Anläufe wir brauchen, bis wir etwas verändern könnnen. Wenn ich den Veränderungsprozess im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis betrachte, nämlich nicht mehr ins Loch zu fallen, dann verspüre ich lange keinen Erfolg. Das geht auch vielen Paaren so. „Warum dauert das so lange? Ich kann nicht mehr warten. Mich macht es verrückt, dass ich keinen Fortschritt sehe. Therapie macht doch keinen Sinn. Vergeudete Zeit, vergeudetes Geld!

Mitnichten!

Wie die Geschichte zeigt, wächst mit jedem Versuch die Bewusstheit über die typisch ablaufenden Muster. Und obwohl wir uns lange immer wieder im Loch finden, ist es nicht das gleiche. Mehr und mehr verstehen wir, was passiert, und irgentwann sind wir fähig, unser Verhalten, unsere Empfindungen, Gefühle und Gedanken so zu steuern, dass wir nicht mehr ohne weiteres in unsere persönlichen Löcher hineinfallen müssen.

Manchmal aber, wider besseren Wissens, wollen wir hinein. Es muss noch mal richtig weh tun. Warum auch immer? Manchmal fehlt auch die Kraft, uns zu steuern. Und manchmal reiht sich Loch an Loch auf unserer Straße. Unser Leben, eine einzige Baustelle.

In der Paartherapie schaue ich gerne mit meinen Klienten auf und in die Löcher. Wie sind sie beschaffen? Was verbirgt sich in ihnen? Welche Themen und Konflikte drücken sich aus? Ist es ein großes Loch? Ist es ein altes Loch? Oder ist es ein geheimes Loch, in das man immer fällt, weil es so gut verdeckt ist? Handelt es sich gar um einen glitschigen Krater, in den man automatisch rutscht? Oder haben wir es mit einem sogenannten schwarzen Loch zu tun, welches Materie sogar ansaugt?

Die meisten Löcher, die ich in der Therapie kennen gelernt habe und auch von mir selbst kenne, gehören zur Kategorie der schwarzen Löcher. Kommt irgenteine Bemerkung nur in die Nähe, selbst wenn sie nicht ganz zum Loch passt: Sie wird eingesaugt und passend gemacht. Und schon sind wir wieder verletzt, fühlen uns nicht verstanden oder empfinden irgentetwas, was wir nicht genauer benennen können. Und ohne die Gefühle oder Empfindungen näher zu kennen, tun wir alles, um die Verletzung oder das Sitzen im Loch, nicht so intensiv spüren zu müssen. Wie schon im Beitrag 1 beschrieben ziehen wir uns je nach Rolle und Charakter zurück oder, oder wir greifen wütend an.

Löcher sind alte und akute Verletzlichkeiten, wunde Punkte, empfindliche Stellen in unserem Leben. Ich Laufe der Zeit sammeln sie sich an. Und manchmal werden es immer mehr. Und wenn wir Glück haben oder uns ihnen liebevoll zuwenden, können sie auch heilen.
Löcher deuten auf wichtige Werte und Themen in unserem Leben hin, und es lohnt, sich eingehend und einfühlend mit ihnen zu beschäftigen.

Lerne Dein Loch oder Deine Löcher gut kennen!
Verstehe ihren Inhalt und ihre Beschaffenheit und erlebe,
welche Bemerkungen, welcher Ton, Handlungen und Erfahrungen,
Dich jedes Mal hineinrutschen lassen.
Dann gibt es eine Chance, nicht mehr hineinzufallen.

Partnerschaft und Liebe berühren uns zutiefst! Kein Wunder, das wir hier auf unsere empfindlichsten Stellen treffen, und uns mit ihnen auseinander setzen müssen. Dabei hatten wir möglicherweise gedacht, dass wir unsere Verletzungen durch eine kluge Partnerwahl umgehen könnten.Beim nächsten Mann wird alles anders, vielleicht kennen sie den Buchtitel aus den Achtzigern noch. Leider ist es nicht so einfach. Wir verlieben uns bevorzugt in Menschen, die unsere Löcher berühren und sichtbar machen.

Und wenn man das weiß, hilft es vielleicht, genau hinzuschauen,
auch wenn es weh tut.

2 Kommentare
  1. Schnupsipulami
    Schnupsipulami says:

    Eine wirklich schöne Parabel, vielen Dank dafür und für alles andere!

    http://www.schematherapie-roediger.de/down/Was%20ist%20ein%20Schema.pdf

    Eine Partnerschaft ist ja insofern eine sehr erlebnisreiche Strasse oder „Expositionsmöglichkeit“.

    Ich möchte die Geschichte noch um ein paar weitere, nicht empfehlenswerte Modi ergänzen:

    Alternative 1: Für die Löcher ist jemand anderes verantwortlich, dieser möge daher mir als Opfer eine neu geteerte Strasse bereitstellen.

    Alternative 2: Da Alternative 1 nicht geklappt hat, grabe ich mich in ein beliebiges Loch tief ein. Für einen längeren Aufenthalt kann zusätzlich mit dem sehr haltbaren Material „PTED“ verfüllt werden.

    Alternative 3: Anderswo sind die Strassen sowieso viel schöner. Ich wechsle die Strasse, die sich zunächst wunderbar anfühlt. Nach einer gewissen Wegstrecke tun sich seltsamerweise genau ähnliche Löcher auf, was ich mir überhaupt nicht erklären kann.

    Da Sommer und Urlaubszeit ist,
    viel Spass beim völlig unbeschwerten Löcher buddeln 🙂

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    • Christiane Jurgelucks
      Christiane Jurgelucks says:

      Vielen Dank für den schönen Kommentar. Ich werde die Alternativen in meinen Sprachgebrauch übernehmen. Vor allem Alternative 3 ist in der Liebe ja sehr beliebt. Falls Sie Urlaub machen, auch Ihnen eine schöne Zeit. Ich werde an der Nordsee buddeln.

      Antworten

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