Wenn das Leben Dich findet….und Planen nix nützt!

Christiane JurgelucksSie glauben gar nicht, mit welchem schlechten Gewissen ich diese Zeilen beginne! Seit Frau Rottenmeier sich in den Langzeiturlaub verabschiedet hat, ohne entsprechende Nachwuchskräfte zu akquirieren, mangelt es mir beim Bloggen an Disziplin. Zumindest auf den ersten Blick.
Auf den zweiten Blick betrachtet, habe ich mich im vergangenen Jahr bewusst persönlich zurückgehalten, da ich Sie nicht mit meiner persönlichen Geschichte langweilen oder belasten möchte, diese Geschichte mich aber so stark beschäftigte, dass es mir nicht möglich war, über weniger Persönliches zu schreiben. Und aus diesem Grund schrieb ich dann lieber nichts. Und nicht zuletzt finden es manche von Ihnen vielleicht auch befremdlich, so viel Privates von mir zu erfahren, obwohl ich Therapeutin bin und als solche nicht persönlich sichtbar werden sollte.
Aber diejenigen, die mich kennen, sei es durch persönliches Erleben oder durch das Lesen meiner Beiträge, wissen, dass mir Wahrhaftigkeit wichtig ist. Deshalb möchte ich den traditionell mir selbst gewidmeten Silvester Beitrag, heute wirklich auf den letzten Drücker, mit Ihnen teilen. Ich erzähle Ihnen, wie meine Geschichte, die so eng mit Hamburg verbunden ist, weiterging.
Was ich an dieser Stelle noch erwähnen möchte, ohne ausführlich darüber zu schreiben, ist die Trennung (Herbst 2016) von meinem Mann. Wie ich schon einmal in einem anderen Beitrag erwähnt habe, möchte ich das Privatleben meines Mannes und meines Sohnes hier nicht ausführlich zum Thema machen.
Und trotzdem – das können Sie sich sicherlich vorstellen – führte diese Erfahrung zu einer anderen Betrachtungsweise des Lebens.

Eines meiner Lieblingsthemen – auch in der Beratung – ist das Thema Lebendigkeit. Ich hatte im Laufe dieses Jahres 2017 viele Ideen, darüber zu schreiben, und möglicherweise schaffe ich das 2018 auch. Die besten Beiträge aber schreibt das Leben selbst.
Wenn Sie sich erinnern, dann hatte ich für 2017 angekündigt, eine mobile Praxis in Hamburg eröffnen zu wollen. Ich hatte mir vorgestellt, laufend und besuchend mit Ratsuchenden ins Gespräch zu kommen, um andere Formen der Beratung zu erproben, selbst neue Erfahrungen zu sammeln. Aber ich wollte auch keine weitere finanzielle Verantwortung für einen neuen Standort übernehmen, ohne ausreichend Zeit in Hamburg verbringen zu können. Die Idee der mobilen Praxis gefiel mir wohl selbst am besten, denn sie wurde nur wenig nachgefragt, aber immerhin reiste ich in das Hamburger Umland, schloss Freundschaft mit großen und teilweise sehr anhänglichen Haustieren, beriet ein und dasselbe Paar in Hamburg und Karlsruhe und erlebte Beratung über einen längeren Zeitrahmen mit Paaren, die eine Fernbeziehung (er)leben und erleiden.
Warum eine mobile Praxis für Paare nicht interessant ist, darüber kann ich nur mutmaßen: Paare scheinen lieber außerhalb ihres persönlichen Kontextes beraten zu werden. Vielleicht ist es ihnen zuviel Intimität, mich sowohl an ihren Gedanken und Gefühlen als auch an ihrem persönlichen Umfeld teilhaben zu lassen. Und weil der „Markt“ eben auch das Angebot bestimmt, wird diese Idee der mobilen Praxis erstmal in den Winterschlaf geschickt.
Was ich selbst nicht geplant habe, aber großes Interesse in 2017 fand, war die Möglichkeit der Telefonberatung. Das Thema Nummer 1 war das große Leid – und nicht die Freude, wie man annehmen könnte – welches Dreiecksbeziehungen mit sich bringen können. Ich hatte eine Vielzahl von Anrufen aus ganz Deutschland. Menschen, die sich in den persönlich geprägten Texten meines Blogs wiederfanden und verstanden fühlten. Hier werde ich sehr gern weiter telefonieren, fühlen Sie sich also gerne ermutigt und eingeladen.

Nun möchte ich aber wieder gerne zurück zu meiner eigenen Entwicklung kommen. Im Januar 2017 lernte ich in den Weiten des Netzes einen Mann kennen, mit dem ich seitdem mein Leben in einer Fernbeziehung teile. Keine Ahnung, wie Sie darüber denken: Für mich war das Einlassen auf etwas, was ich so gar nicht auf meiner „Liste“ hatte, ziemlich schwierig. Eine neue Beziehung so kurz nach der 22 Jahre dauernden Partnerschaft zu meinem Mann, war so ziemlich das Letzte, wofür ich mich erwärmen wollte. Dennoch ließ ich mich darauf ein, die Erfahrung einer sehr schnell eng werdenden Beziehung zu machen, anfangs sehr zögerlich und prüfend, dann zunehmend vertrauend und annehmend. Auch hierüber möchte ich an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt nicht in aller Tiefe sprechen, trotzdem ist es mir wichtig, mich mit diesen Zeilen zu „outen“, denn Sie haben seine Beiträge schon in diesem Blog gelesen und zukünftig werden wir hier gemeinsam schreiben, mal er und mal ich: die Sicht eines Mannes, das Erleben einer Frau, Beschreiben, Erforschen und Diskutieren von Spannungsfeldern, die in Beziehungen vorkommen, in Ihrer und in meiner. Sie dürfen also gespannt sein auf das, was kommt….

Im Frühling 2017 kam statt Lebendigkeit erstmal der Tod in meine Karlsruher Familie: Der beste Freund meines Sohnes verunglückte tödlich unter der Dusche. Mir fällt es immer noch sehr schwer, darüber zu sprechen oder zu schreiben und meine Gedanken sind weiterhin sehr häufig bei ihm und seinen Eltern. Gleichzeitig machten wir als Familie eine der heftigsten Krisen, die ich je erlebte, durch, da unser Sohn drei Monate schweigend trauerte, jeglichen Kontakt mit uns Eltern sowie den Schulbesuch verweigerte. Ich habe mich selten so hilflos erlebt! Und ich danke an dieser Stelle allen Menschen, die mir in dieser sehr angstvollen Zeit zugehört haben und mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Es hat geholfen, und auch unser Sohn hat wieder zurück in sein altes Leben gefunden, was nach dieser Erfahrung nie wieder so werden wird, wie es sich zuvor anfühlte.

Nach den Sommerferien wurde es allmählich wieder leichter, und es wurde Zeit, dass ich mich auf verschiedene Workshops vorbereitete, die ich im Herbst zugesagt hatte. Mir fällt es nicht besonders leicht, vor vielen Menschen zu sprechen, deshalb ist das eine ganz schöne Herausforderung für mich, aber meine kollegiale Freundin Angelika Eck hatte mich überredet, meinen „erotischen Salon“ auf der Paartherapietagung in Heidelberg vorzustellen und als Workshop anzubieten. Dieses Angebot habe ich sehr gerne angenommen, denn mit Frauen in einen erotischen Dialog zu gehen, macht mir weiterhin große Freude und bedeutet wenig Anstrengung. So gestaltete ich zwei Workshops, die wunderbar ankamen. Sollten Ihnen also auch woanders in Deutschland „erotische Salons“ begegnen, dann kann es gut sein, dass die Idee sich fortgepflanzt hat, so wie es Leben eben tut.

Bei dieser Gelegenheit lernte ich auch meine Kollegin Ann Marlene Hennig kennen, eine Frau, die Sie wahrscheinlich durch Bücher und Fernsehbeiträge kennen, und die ich für ihr Engagement, das Thema Sexualität und die damit verbundenen Herausforderungen vorbehaltlos und wertschätzend in der Öffentlichkeit zu diskutieren, sehr bewundere. Als Therapeutin schätze ich ihre Berührbarkeit, ihr authentisches Reagieren auf Menschen und ihre lebendige Art. Sie ist für mich ein Beispiel dafür, dass Therapeuten nicht distanziert sein müssen, um professionell agieren zu können. Ich bewundere ihren Mut, sich einer Presse zu stellen, die das Thema Sexualität gerne reißerisch und wenig differenziert betrachtet. Das braucht Durchhaltevermögen und eine echte innere Mission, von der wir Sexualtherapeuten durch einen höheren Bekanntheitsgrad, was Gegenstand einer Sexualtherapie sein kann, sehr profitieren.
Als wir beim Essen zufällig nebeneinander saßen und ins Gespräch kamen, waren wir uns sofort sympathisch. Ich freute mich, sie endlich einmal persönlich kennen lernen zu dürfen, und sie freute sich, endlich in Hamburg jemanden zu haben, an den sie Menschen mit gutem Gewissen weiter verweisen kann.

Gleichzeitig kamen immer mehr Anfragen von Paaren aus Hamburg, die über den Blog zu mir fanden, so dass ich plötzlich fühlte, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen war, mir eigene Praxisräume in Hamburg zu suchen. Durch einen Zufall wurde ich auf das Bauprojekt des Altonaer Bau- und Sparvereins am Lohsepark in der Hamburger Hafencity aufmerksam (ich weiß, ich bin ein Trüffelschwein!), der dort für seine Mitglieder Wohnungen baut. Unter anderem auch wenige Einheiten, die Arbeiten und Wohnen miteinander möglich machen, allerdings mit der Voraussetzung, dass Räume der Arbeit bis 20 Uhr für die Öffentlichkeit einsehbar sein müssen. Nun ist Therapie etwas sehr Intimes, und Paargespräche finden definitiv nicht in der Öffentlichkeit statt, dennoch produzierte mein Gehirn massenhaft Ideen, was ich mit dem öffentlichen Raum alles anstellen könnte…. übrig blieb der Gedanke, den zur Straße liegenden einsehbaren Raum für die Weiterentwicklung des Salongedankens zu nutzen und den zum Innenhof liegenden privaten Raum als intimes Therapiezimmer. Im Laufe der letzten Wochen kristallisierte sich die Idee heraus, in der Kobestraße 5 eine Art öffentlichen Beziehungs(ausstellungs)raum entstehen zu lassen, einen „grünen Salon“ als Ort des Austausches für  alle Interessierten, die sich mit Fragen zum Leben, zur Lust und zur Liebe mit anderen austauschen möchten. Inhalte des Blogs können auf diese Weise nicht nur virtuell geteilt, sondern auch leibhaftig erfahren werden. Darauf freue ich mich sehr. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich Ihnen mehr darüber erzählen. Nur so viel sei verraten: Ab 1. April 2018 kann es losgehen. Dann werde ich jeweils eine Woche in Karlsruhe und in der anderen Woche in der Hafencity arbeiten.

Und nun sind wir gemeinsam am Ende des Jahres angekommen. Nur noch wenige Stunden bis zum Jahreswechsel, dem ich persönlich gerne reflektierend und besinnlich begegne. Silvester ist mir wesentlich wichtiger als Weihnachten. Und ich liebe es, den Jahreswechsel mit ein paar Ritualen zu begehen. Das erste Ritual, auf das ich mich sehr freue, ist der Vergleich meiner Erfahrungen von 2017 mit dem Brigitte Horoskop für 2017, welches ich vor einem Jahr erstanden und aufbewahrt habe. Mal sehen, ob da was stimmt.
Das zweite und wesentlich wichtigere Ritual ist, mir selbst einen Brief zu schreiben, in dem ich all meine Wünsche und Träume für 2018 benenne, und den ich dann Silvester 2018 öffne und lese. Meist kann ich mich über eine gute Ernte freuen, selbst wenn die Ernte ganz anders ausfällt als erwartet. Auch das ist Lebendigkeit, sich auf Erfahrungen einlassen und das Beste daraus machen. Und selbst das Jahr 2017, für mich ein ausgesprochen schwieriges Jahr, betrachte ich liebevoll. Ich möchte es nicht missen.
Zum Schluss möchte ich noch eine vorläufige Erkenntnis über die Liebe mit Ihnen teilen, genau wie Sie suche ich noch nach der Endfassung.:))

Liebe ist für mich eine warme Kraft, die mein ganzes Sein durchflutet, die Basis von Allem, und auf deren Basis ich auch unbequeme Fragen stellen darf, ohne an ihrem Sein zu zweifeln!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein liebevolles Jahr 2018 und die Kraft, sich auch unbequemen Fragen des Lebens zu stellen.

„Leben ist einfach auch mal doof!“

 

4 Kommentare
  1. Schnupsipulami
    Schnupsipulami says:

    Ein spannender Beitrag… dessen Inhalt mich nur wenig überrascht! Vieles glaubte ich schon, geahnt zu haben 🙂
    Freue mich, dass Sie ihr Fahrwasser an ihrem Sehnsuchtsort Hamburg gefunden haben und wünsche reiche Ernte, Gesundheit und Glück in 2018!

    Herzliche Grüße

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  2. Simone
    Simone says:

    Liebe ist ein umhüllendes und gleichzeitig nährendes Gegenüber, das mich, meine Mitmenschen und alle Lebewesen dieser Welt (und vielleicht auch anderer Welten) durch und durch versteht und bedingungslos und gütig annimmt. Nichts kann uns von dieser Liebe trennen, außer unserem eigenen Ego selbst, das von schrägen Wahrnehmungen und Verführungen geprägt wurde… Liebe ist Zeit. Nicht nur für die uns Anvertrauten und für uns selbst, auch für die Stille, die uns was zu sagen hat, wenn wir ihr lauschen.

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